den Themenkomplexen Medizin,
Gesundheit und Wohlfühlen
2014
Herzinfarkt Prophylaxe
Nicht jeder hohe Blutdruck ist ein therapiebedürftiger Bluthochdruck (Hypertonie)
Spezielle Messungen wie die Pulswellen-Analyse führen auf die richtige Spur
Die üblichen Blutdruckmessungen zeigen immer nur einen kurzen Moment im Blutdruckgeschehen. Vor allem haben sie nicht die Pulswelle im Blick, die vom Herzen ausgehend sich durch die Adern fortsetzt und etwas über die Gefäßwandelastizität aussagt. In manchen Fällen schafft erst eine Pulswellen-Analyse Klarheit, besonders bei jungen Sportlern.
Der junge Zwei-Meter-Mann ist bestens durchtrainiert. Triathlon heißt sein Ziel und dafür strampelt er sich Tag für Tag ab. Doch kürzlich machte sein Hausarzt eine seltsame Entdeckung: Der Mann hat eine Hypertonie. Immer wieder misst er den Blutdruck und immer wieder sind die Werte zu hoch. Ist das möglich? Er verordnet einen Betablocker. Nichts passiert. Die Werte bleiben hoch. Bevor der Hausarzt die Therapie bei dem Kerngesunden intensiviert, schickt er ihn erst mal zum Fachmann.
Für Prof. Dr. med. Martin Middeke, München, kein Einzelfall. Und er weiß, was zu tun ist: Sofort den Betablocker absetzen! Denn der Leistungssportler hat keine Hypertonie, sondern hervorragend elastische Blutgefäße. Und die verfälschen den mit der Armmanschette gemessenen Blutdruckwert erheblich. Amplifikation nennt man dieses ganz normale Phänomen und nur mit einer Pulswellenmessung kann man ihr auf die Spur kommen.
Die Pulswellenmessung unterscheidet sich kaum von der regulären Blutdruckmessung. Doch sind dazu spezielle Apparaturen erforderlich, die nur in wenigen Praxen vorhanden sind. Anhand des Pulswellenverlaufs und der -geschwindigkeit kann man Rückschlüsse auf die Gefäßelastizität und auf den zentralen Druck ziehen – und dann auch erkennen, dass unser Leistungssportler Blutdruckwerte hat, die im Normbereich liegen. „Die normale Blutdruckmessung überschätzt den Blutdruck bei elastischen und unterschätzt ihn bei versteiften Gefäßen“, betont Middeke.
Gerade die isolierte systolische Hypertonie bei älteren Menschen wird daher in der Praxis mitunter erst spät erkannt. Eine weitere Feinheit im Blutdruckgeschehen ist die nächtlichen Blutdruckabsenkung. Normalerweise liegt der Blutdruck in der Nacht 10 bis 20 mm Hg niedriger als am Tag. Gegen Morgen zu steigt er wieder an, schon vor dem aufstehen. Bei einem Teil der Hypertoniker fällt diese Regulation aus, sie haben auch nachts hohe Werte. Wieder andere Patienten haben nachts zu starke Blutdrucksenkungen. Solche Störungen lassen sich nur mit einer 24-Stunden-Messung aufspüren. Für die Therapie bedeutet dies: Patienten mit nächtlichen Blutdruckspitzen profitieren eventuell von einer zusätzlichen abendlichen Medikation.
Für Patienten mit nächtlichem Blutdruckabfall kann dies verheerende Konsequenzen haben. Allgemein sollte die blutdrucksenkenden Medikamente – mit 24-Stunden-Wirkung und möglichst als Kombinationspräparat - morgens gleich nach dem Aufstehen eingenommen werden. „Je früher, desto besser, denn beim Aufstehen ist der Blutdruck schon hoch“, so Middeke. In jedem Fall gilt, dass eine Hypertonie sorgfältig abgeklärt werden muss, bevor mit immer neuen Medikamenten und in immer tolldreisteren Kombinationen eine korrekte Blutdruck-Einstellung ausprobiert wird. In Anbetracht der heute zur Verfügung stehenden Medikamenten-Palette sollte für jeden Hypertoniker das Passende dabei sein. Von einer therapieresistenten Hypertonie will Middeke nichts wissen. Und von der oft lautstark propagierten renalen Denervation schon gar nichts. Äußerst fragliche Wirkung und unabsehbare Risiken bescheinigt er dieser Methode. Wenn die Patienten sorgfältig diagnostisch untersucht wurden und ihre Medikamente korrekt einnehmen, dann sei praktisch jede Hypertonie gut zu therapieren.
Dr. med. Ulrike Röper
Quelle: Medizinjournalisten-Stammtisch, München 2014
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