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Antikoagulation: Wer
genau hinschaut, sieht mehr
Moderne Medikamente orale Antikoagulanzien (NOAK) -sind
keineswegs so vorteilhaft wie man glauben möchte
Millionen von Patienten
bekommen Medikamente zur Blutverdünnung. Seit Jahren im
Trend: Vom guten alten Phenprocoumon, besser bekannt als
Marcumar, wird auf neue orale Antikoagulanzien (NOAK)
umgestiegen. Immer wieder heißt es, die „Neuen“ seien
sicherer, besser verträglich und leichter zu steuern. Aber
bewiesen ist rein gar nichts. Und Marcumar hat deutliche
Vorteile, denn der Blutspiegel lässt sich einfach bestimmen
und es gibt ein wirksames Antidot.
Seit Jahrzehnten hat sich
Marcumar in Deutschland als orales Antikoagulans bewährt.
Dieses Medikament benötigt zwar einige Tage bis im Blut der
therapeutisch wirksame Spiegel erreicht wird und die nötige
Dosierung muss individuell ausprobiert werden. Ebenso
braucht es Zeit, bis die Wirkung wieder nachlässt. Doch
diese angeblich so umständliche Handhabung bringt erhebliche
Vorteile, betont Prof. Heiner Berthold, Bielefeld. Es macht
nichts aus, wenn der Patient mal eine Tablette vergisst oder
versehentlich zwei nimmt – bei den überwiegend älteren
Patienten durchaus an der Tagesordnung. Der Wirkspiegel
verändert sich dadurch kaum und die Wirksamkeit bleibt
gesichert.
Und es gibt noch einen weiteren, unschlagbaren Vorteil
von Marcumar gegenüber den „Neuen“: Kommt ein Patient mit
einer Blutung - gefürchtete Komplikation bei Antikoagulation
- lässt sich anhand des INR superschnell bestimmen, ob es an
der Blutverdünnung liegt oder nicht. Bei den NOAKs hingegen
gibt es keinen derartigen Schnelltest. Außerdem verändern
sich die Serumspiegel der NOAKs aufgrund der kurzen
Halbwertszeit so rasch, dass sich kaum feststellen lässt, ob
zu viel oder zu wenig Medikament eingenommen wurde.
Obwohl die NOAKs als
risikoärmere Blutverdünnung angepriesen werden, sollte man
die Zulassungsstudien mit größter Vorsicht und sehr kritisch
betrachten, so Berthold. Bislang wurde völlig außer Acht
gelassen, dass in diesen Studien nicht gegenüber dem in
Deutschland hauptsächlich verordnetem Phenprocoumon getestet
wurde, sondern gegen Warfarin. Eine wahrscheinlich deutlich
kompliziertere Substanz als Marcumar. Leider wird man nie
eine vergleichende Untersuchung dieser beiden
Vitamin-K-Antagonisten durchführen. Ob die Ergebnisse der
Warfarin/NOAK-Studien überhaupt auf hiesige Verhältnisse
übertragbar sind, ist völlig offen.
Tatsache ist, dass die
Meldungen über Nebenwirkungen (Verdachtsfälle) beim BfArM
durchaus beachtliche Größenordnungen erreichen. So wurden
2015 für Apixaban 908 Fälle gemeldet, für Dabigatran 206,
für Rivaroxaban 1785 und – 214 für Marcumar. Klar ist, dass
neue Medikamente größere Aufmerksamkeit erhalten als
Altsubstanzen. Dennoch: Nebenwirkungsfrei sind NOAKs sicher
nicht!
PD Christoph Sucker,
Gerinnungsspezialist aus Berlin, sieht ebenfalls erhebliche
Nachteile bei den NOAKs. Aufgrund der kurzen Halbwertszeiten
und individuell unterschiedlicher Bioverfügbarkeit schwanken
die Spiegel stark und können vor allem bei einmal täglicher
Anwendung rasch in den unwirksamen Bereich fallen. Im
Gegensatz zur Marcumartherapie werden aber die Blutspiegel
bei NOAK nicht kontrolliert. Niemand kann also sagen, ob die
Patienten richtig eingestellt sind, zumal die
Leber-/Nierenfunktion ebenso berücksichtigt werden muss wie
die zahlreichen Interaktionen mit anderen Medikamenten.
Last not least liegen die
Kosten einer Marcumartherapie im Jahr deutlich unter 100
euro, für die NOAKs aber zwischen 1000 und 2000 Euro.
Quelle: Dr. Ulrike Röper
Lunchsymposium
„Differentialindikationen für orale Antikoagulanzien bei
nicht valvulärem Vorhofflimmern“, veranstaltet von Roche
Diagnostics, 123. Kongress der DGIM, Mannheim 2017
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