"Idiopathische
Hypertonie": Vergessen Sie's! Eine umfassende Suche fördert
bei den meisten Patienten eine konkrete Ursache zu Tage
Viel hat sich im Lauf der letzten
Jahre auf dem Gebiet des Bluthochdrucks getan. Dank
hervorragender Medikamente können die meisten Patienten
ausreichend behandelt werden und selbst die immer strengeren
Grenzwerte von mittlerweile unter 140 mm Hg systolisch
einhalten. Und dennoch: ein beachtlicher Anteil der
Hypertoniker spricht nicht auf die übliche
Kombinationstherapie an.
Dann ist guter Rat im wahrsten
Sinn des Wortes teuer.
Hypertonie ist längst zur
Volkskrankheit geworden. In unserer alternden Bevölkerung mit
immer mehr Übergewichtigen und Diabetikern sowie einer immer
bewegungsärmeren Lebensweise gerät die Blutdruckregulation
leicht aus dem Gleichgewicht. Auch wenn die meisten
Betroffenen davon nur gelegentlich etwas merken und lange Zeit
nicht den geringsten Leidensdruck verspüren, ist eine frühe
und konsequente Therapie angezeigt. Denn: Hypertonie ist die
Hauptursache für
Herzinfarkt,
Herzinsuffizienz und
Schlaganfall – die großen Killer in der heutigen Zeit.
Es ist noch nicht lange her, dass
die gängige Lehrmeinung besagte: Bei etwa 90 Prozent der
Hypertoniker findet keine konkrete Ursache für die Erkrankung.
Idiopathisch, heißt dann das Zauberwort. Doch mit dieser
Vorstellung sollte man schleunigst Schluss machen, meint PD
Dr. med. Jan Börgel, Unna. Er arbeitet seit Jahren in der
Hypertonie-Forschung und hat jüngst in einer Studie bei schwer
einstellbaren Hypertonikern festgestellt: In 70 Prozent der
Fälle lässt sich doch etwas aufdecken. Aber eine andere
Tatsche sollte noch bedenklicher stimmen. Kein einziger der
schwer erkrankten und seit mehr als einem Jahrzehnt
therapierten Patienten war korrekt nach den Regeln der
medizinischen Kunst abgeklärt worden.
Verwunderlich ist die mangelhafte
Diagnostik jedoch nicht. Im ambulanten Bereich lässt sich die
lange Liste der zum Teil komplizierten Untersuchungen schon
organisatorisch kaum bewerkstelligen, ganz zu schweigen von
den Kosten. So muss beispielsweise wegen des zirkadianen
Rhythmus das Aldosteron morgens um 8 Uhr im Sitzen bestimmt
werden (und der Patient darf zuvor mindestens eine halbe
Stunde nicht aufgestanden sein). Ein Salzbelastungstest muss
zwischen 8 und 12 Uhr im Liegen erfolgen. Eine häufig
übersehene Ursache für Hypertonie ist die Schlafapnoe, die nur
im Schlaflabor abgeklärt werden kann. Schlaflabore befinden
sich üblicherweise unter der Ägide von Lungenfachärzten, die
sich wenig für Hypertonie interessieren.
In Unna hat man einen neuen Weg
eingeschlagen und ein eigenes
Hochdrucklabor installiert.
Patienten mit problematischer Hypertonie werden dort
einbestellt und – nach der entsprechenden Vorbereitung –
innerhalb von zwei Tagen stationär untersucht. Die
Krankenkassen bezahlen bereitwillig diese interdisziplinäre
Kompakt-Diagnostik. Schließlich besteht die Aussicht, mit der
Zeit die immensen Kosten für die Behandlung von
hypertensiven
Krisen senken zu können.
Börgel hat vorgerechnet, dass die
rund 40.000 Patienten pro Jahr mit etwa 70 Mio. Euro zu Buche
schlagen.