Quelle:
Fachblatt Lancet
Plötzlicher
Herzstillstand und der Versuch der Wiederbelebung durch medizinische
Laien: Mund-zu-Mund-Beatmung muss nicht sein, wenn das Herz
aufgehört hat zu schlagen
Seit
Jahren gilt als eiserne Regel, dass bei einem plötzlichen Herzstillstand
von den durch Zufall anwesenden Laienhelfern neben der Herzmassage
unbedingt auch eine Mund-zu-Mund-Beatmung durchgeführt werden
muss. Die Herzmassage und die Mund-zu-Mund-Beatmung sollen die
Zeit zu überbrücken helfen, bis der Notarztwagen ankommt und díe
Wiederbelebung des Patienten mit Hilfe eines koordinierten Elektroschocks
(Defibrillator) versucht werden kann. Doch Experten haben schon
seit längerer Zeit hinter vorgehaltener Hand die Frage diskutiert,
ob sich die Forderung nach Durchführung einer Mund-zu-Mund-Beatmung
nicht letztendlich als kontraproduktiv erweist. Viele ansonsten
bereitwillige Helfer schrecken vor der Atemspende - die auch als
Kuss-des-Lebens bezeichnet wird - zurück, da sie Angst davor
haben sich mit einer gefährlichen Krankheit anzustecken. Oder
Ekel bremst ihre Hilfsbereitschaft.
Diese
Frage hat eine große praktische Bedeutung, da allein in Deutschland
Jahr für Jahr mehr als 100.000 Menschen den plötzlichen Herztod
erleiden. Etwa alle fünf Minuten stirbt in Deutschland ein
Mensch weil sein Herz ohne erkennbare Ursache einfach zu schlagen
aufhört. Der plötzliche Herztod fordert damit mehr Todesopfer
als Krebs und alle anderen Krankheiten. Wird der Versuch der Wiederbelebung
allerdings von gut ausgebildeten Helfern durchgeführt, so macht
die Kombi-Behandlung durchaus Sinn. Doch ein einzelner Helfer
ist damit oft überfordert.
Jetzt
haben japanische Forscher untersucht, wie wichtig die Mund-zu-Mund-Beatmung
tatsächlich ist. In die im Fachblatt "The Lancet"
veröffentlichte Untersuchung wurden 4.068 Patienten eingeschlossen,
die außerhalb eines Krankenhauses einen plötzlichen Herzstillstand
erlitten.
Von diesen wurden 439 von medizinischen Laien nur mit Herzmassage
behandelt, 712 wurden zusätzlich mit Mund-zu-Mund-Beatmung versorgt
und 2.917 wurden überhaupt nicht behandelt.
Es zeigte sich, dass die Behandlung durch die Laien im Vergleich
zum nichts tun die Rate des Überlebens ohne bleibende Hirnschäden
verdoppelte (5% gegenüber 2.2%). Erstaunlicherweise schnitten
die Patienten aber besser ab, die nur eine Herzmassage erhielten.
Hier lag die Rate des Überlebens ohne neurologische Defekte bei
6.2%, während die gleichzeitig durchgeführte Mund-zu-Mund-Beatmung
diese Rate auf 3.1% schrumpfen ließ.
Diesen erstaunlichen Unterschied erklärten die Experten damit,
dass das Blut ausreichend mit Sauerstoff angereichert ist wenn
das Herz plötzlich zu schlagen aufhört. Es ist daher wichtig,
dass das Blut mit Hilfe der Herzmassage weiter zum Hirn transportiert
wird. Dagegen ist der Versuch das ohnehin sauerstoffreiche Blut
durch die Mund-zu-Mund-Beatmung weiter mit Sauerstoff anzureichern
eher überflüssig.
Es
kommt hinzu, dass die Atemspende die Helfer von der überlebenswichtigen
Herzmassage eher ablenkt, so das diese von der Frequenz her eher
zu kurz kommt. Wichtig ist es, den Brustkorb pro Minute etwas
100 mal zu komprimieren. Wenn dann innerhalb von 4 Minuten durch
den Notarzt eine Defibrillation durchgeführt wird, sind die Chancen
für eine erfolgreiche Wiederbelebung gut. Es ist also extrem wichtig,
dass im Moment des Beginns der Herzmassage auch der Notarzt
unter der Notrufnummer 112 angerufen wird.
Allerdings
machten die Ärzte darauf aufmerksam, dass die Mund-zu-Mund-Beatmung
weiter wichtig ist, wenn die Ursache der plötzlichen Bewusstlosigkeit
in einem primären Atemstillstand zu suchen ist - wenn also beispielsweise
ein Ertrunkener aus dem Wasser gezogen wird. Hier ist im
Regelfall ein Atemstillstand Ursache der dramatischen Notsituation
und nicht ein plötzlicher Herzstillstand "aus heiterem
Himmel". Ähnlich verhält es sich, wenn eine Drogenüberdosierung
zur plötzlichen Bewusstlosigkeit führt. Insbesondere Opiate wie
Heroin oder Morphium lähmen bei Überdosierung in erster Linie
das Atemzentrum. Hier kann also die Atemspende das Leben retten
und die Herzmassage ist überflüssig, da das Herz ja meist noch
schlägt.
Eine
englischsprachige Kurzversion dieser Studie (sog. MEDLINE Abstract)
finden Sie
hier
The Lancet 2007; 369:920-926
Cardiopulmonary resuscitation by bystanders with chest compression
only (SOS-KANTO): an observational study
Mouth-to-mouth ventilation is a barrier to bystanders doing cardiopulmonary
resuscitation (CPR), but few clinical studies have investigated
the efficacy of bystander resuscitation by chest compressions
without mouth-to-mouth ventilation (cardiac-only resuscitation).
Cardiac-only resuscitation by bystanders is the preferable approach
to resuscitation for adult patients with witnessed out-of-hospital
cardiac arrest, especially those with apnoea, shockable rhythm,
or short periods of untreated arrest.
Corresponding Author InformationCorrespondence to: Dr Ken Nagao,
The SOS-KANTO Committee, Department of Emergency and Critical
Care Medicine, Surugadai Nihon University Hospital, 1-8-13 Kanda
Surugadai, Chiyoda-Ku, Tokyo, 101-8309, Japan Kennagao@med.nihon-u.ac.jp
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