Quelle:
Fachblatt JAMA
Sensationelle neue Daten aus den USA belegen: was heute weltweit
hysterisch als Übergewicht
bekämpft wird, scheint in Wirklichkeit das Idealgewicht zu sein.
Die Ergebnisse der NHANES-Studie zeigen, daß „übergewichtige“
Menschen länger leben als normal- und untergewichtige. Erst extreme
Formen der Fettsucht scheinen das Sterberisiko im Vergleich zum
Untergewicht tatsächlich zu erhöhen.
Von Dr. med. Jochen Kubitschek
Weltweit glauben Millionen Frauen offenbar aus tiefster Überzeugung
an die Lebensweisheit „Eine Frau kann nicht zu reich, oder zu
dünn sein“. Dieses Vorurteil wird von einem Heer von Gesundheitsberatern
unterstützt – nicht ganz ohne eigennützige Hintergedanken beispielsweise
von Seiten der Diät-Berater. Doch nun zwingen neueste Forschungsergebnisse
dazu, zumindest den zweiten Teil dieser immer wieder kolportierten
Aussage kritisch zu überdenken.
Klapperdürr
ist weder schön, noch gesund
Schon lange hatten intelligente Menschen mehr oder weniger heimlich
die Frage gestellt, ob das seit Jahrzehnten von klapperdürren
Fotomodellen repräsentierte Schönheitsideal tatsächlich der Gesundheit
zuträglich sein kann – denn als schön empfand ohnehin kaum jemand
die an Junkies unmittelbar vor dem goldenen Schuß erinnernden
Hungerhaken. Nun endlich bekommen die Skeptiker eine aus seriöser
Quelle stammende, wissenschaftlich gut abgesicherte Antwort, die
ihre Zweifel nachträglich bestätigt: „Natürlich ist es nicht gesund,
wenn man untergewichtig ist.“
Erst vor wenigen Tagen veröffentlichte eine renommierte
Wissenschaftlergruppe um Katherine M. Flegal von den staatlichen
Centers for Disease Control and Prevention (CDC), Atlanta, und
dem National Cancer Institute, Bethesda, im angesehenen Fachblatt
JAMA (Journal of the America Medical Association) eine Studie,
die an den derzeit geltenden Grundfesten der medizinischen Wissenschaft
rüttelt.
Untersuchung zeigt: was als Übergewicht gilt ist gesund
Seit
1971 werden in den USA von den CDC im Zuge der NHANES-Studie (National
Health and Nutrition Examination Survey) Daten zusammengetragen
und statistisch ausgewertet – zuletzt im Jahr 2000. Die Forscher
um Katherine M. Flegal setzten nun das individuelle Sterberisiko
in Bezug zum errechneten Body Mass Index (BMI) , einer Meßeinheit,
die auch in Deutschland oft dazu verwendet wird um Unter-, Normal-
und Übergewicht zu definieren. Der BMI berücksichtigt Körpergewicht
und -größe und ermöglicht so eine objektive Beurteilung
des Gewichts. Errechnet wird der BMI nach der Formel Körpergewicht
in Kilogramm geteilt durch Körpergröße mal Körpergröße in Metern.
Bei der Untersuchung kamen die Wissenschaftler zu überraschenden
Ergebnissen, die die generelle Annahme, daß Übergewicht die Lebenserwartung
vermindert, nicht nur widerlegen, sondern sogar in ihr Gegenteil
verkehren.
Auf die USA umgerechnet zeigte sich nämlich, daß die Extra-Pfunde
(BMI 25-29) im Vergleich zu normalgewichtigen Personen (BMI 18.5
– 24) dazu führen, daß im Jahr 2000 über 86.000 übergewichtige
Menschen weniger starben.
Erst extreme Fettsucht ist schädlich
Erst
die extreme Fettsucht (BMI gleich oder höher als 30) führte hingegen
zu 112.000 zusätzlichen Todesfällen und Untergewicht (BMI niedriger
als 18.5) war mit 33.746 zusätzlichen Todesfällen verbunden. Bei
näherer Analyse der Daten zeigte sich, daß das zusätzliche Körpergewicht
– im englischsprachigen Raum oft als „love handles“ (Liebesgriffe)
bezeichnet - sogar noch weiter entlastet wurde. Von den zusätzlichen
112.000 Todesfällen, die auf das Konto der wirklich Dicken gingen,
entfielen 82.000 auf Fälle extremer Fettsucht. In diese Gruppe
werden aber nur etwa 8% der Amerikaner eingeordnet.
Es zeigte sich somit, daß das insbesondere von vielen Mädchen
und Frauen angestrebte Untergewicht zwar nicht so schädlich ist
wie extreme Fettsucht – doch gefährlicher als deutliches Übergewicht
ist sie offenbar allemal. Das wird durch den Umstand verdeutlicht,
daß Untergewicht in den USA wahrscheinlich ein zusätzliches Sterberisiko
verursacht, das in nur zwei Jahren mehr Amerikaner das Leben kostet
als der Vietnamkrieg in 20 Jahren.
Mit der Veröffentlichung dieser neuen Bewertung der behördlich
zusammengetragenen Daten machen die CDC sozusagen eine Kehre um
180 Grad. Noch vor wenigen Monaten hatten führende Epidemiologen
nämlich verkündet, daß in den USA pro Jahr 365.000 vorzeitige
Todesfälle auf das Konto von Übergewicht gehen. Damit würde das
weit verbreitete Übergewicht angeblich schon bald das Rauchen
als den wichtigsten Grund für vermeidbare vorzeitige Todesfälle
ablösen. Damit wird es nun wohl nichts werden. Der Soziologieprofessor
Barry Glassner brachte das Problem in der New York Times auf den
Punkt „Was heute offiziell als Übergewicht angeprangert wird,
ist in Wirklichkeit das optimale Gewicht.“
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