Quelle:
u.a. Fachblatt Lancet
Aspirin
und andere populäre Schmerzmittel senken das Risiko
für Haut-
und Speiseröhrenkrebs
Von Jochen Kubitschek
In den vergangenen 100 Jahren hat sich das populäre
Schmerzmittel Aspirin (Wirkstoff ASS) zu einer Art Volksnahrungsmittel
entwickelt von dem pro Jahr mehrere zehntausend Tonnen verbraucht
werden. Weltweit nehmen mehr als 30 Millionen Personen täglich
Aspirin ein. 1986 wurden in den USA 40 Milliarden Aspirintabletten
verkauft. In der Bundesrepublik Deutschland wurden zehn
Jahre später 224 Millionen Tagesdosen ASS und 622 Millionen
Tagesdosen Antirheumatika verordnet, von denen viele chemisch
mit Aspirin eng verwandt sind.
Das ursprünglich aus der Weidenrinde gewonnene gallebittere
Medikament wird unter anderem bei Schmerzen, Entzündungen
und Fieber eingesetzt. Seit vielen Jahren ist aber auch
bekannt, daß selbst kleine Mengen des längst
synthetisch hergestellten Wirkstoffs Acetylsalizylsäure
(ASS) das Herzinfarkt-Risiko deutlich senken können.
Doch damit nicht genug. Ständig stoßen die Wissenschaftler
auf weitere mögliche Anwendungsgebiete der zur Gruppe
der sogenannten COX1-Hemmer gehörenden Schmerzmittel.
Bereits
Ende der siebziger Jahre wurde von finnischen Wissenschaftlern
aufgrund von Beobachtungen die Vermutung geäußert,
daß die Einnahme von Aspirin das Risiko senkt, an
Darmkrebs zu erkranken. Außerdem stützten an
Labortieren durchgeführte Untersuchungen die Hoffnung,
daß das populäre Schmerzmittel bei regelmäßiger
Anwendung auch das Risiko vermindert, an einer oft tödlich
verlaufenden Sonderform von Hautkrebs zu erkranken. Die
Hautärzte sprechen von squamösen Karzinomen.
Um
diese viel versprechende These auf ihren Wahrheitsgehalt
hin zu testen, studierte jetzt eine australische Forschergruppe
am Queensland Institute of Medical Research (QIMR) 273 Patienten,
die an der 1992 begonnenen Nambour Skin Cancer Prevention
Study teilnahmen. 86 dieser Studienteilnehmer litten unter
einem squamösen Hautkrebs.
Die Auswertung der über ein Jahrzehnt zusammengetragenen
Daten zeigte, daß jene Studienteilnehmer ein um 63%
erniedrigtes Hautkrebs-Risiko hatten, die fünf Jahre
lang relativ häufig Aspirin eingenommen hatten. Wurde
ASS in dieser Zeitspanne mehrmals täglich eingenommen,
so sank das Hautkrebsrisiko sogar um 90%.
Rund 60% der Studienteilnehmer hatten Asprin hatten eingenommen
und 40% bewährte Substanzen wie Ibuprofen, Diclofenac
und Piroxicam.
Der Leiter der Untersuchung, Dr. David Whiteman , räumte
ein, daß auch ihm ursprünglich der naheliegende
Verdacht gekommen war, daß die an Krebs erkrankten
Patienten ihre Haut möglicherweise häufiger der
Sonne ausgesetzt hatten als jene Studienteilnehmer, die
keinen Hautkrebs entwickelten. Doch die erhobenen Daten
widerlegten diese Vermutung:
" Wir konnten bei den beiden Patientengruppen keine
derartigen Unterschiede finden", resümierte Whiteman.
Mittlerweile
glauben die australischen Forscher zu wissen, worauf die
Wirkung der Schmerzmittel aus der Aspirin-Familie wahrscheinlich
basiert. Längst weiß man nämlich, daß
bösartige Tumore nur dann schnell wachsen können,
wenn sie über eine ausreichende Blutversorgung verfügen,
die den erhöhten Sauerstoffbedarf deckt. Die Bildung
zusätzlich benötigter Blutgefäße wird
aber von einem Gen unterstützt, das die Bildung des
COX-Enzyms steuert. "Wenn man daher Medikamente einnimmt,
die dieses COX-Gen, bzw. das gebildete COX-Enzym, blockieren,
dann wird automatisch das Tumorwachstum behindert",
faßte Whiteman die Ergebnisse der im Journal of the
American Academy of Dermatology veröffentlichten Studie
zusammen. Die australischen Forscher betonten, daß
die Wirkung der das COX-1-Enzym beeinflussenden Wirkstoffe
nicht auf die squamösen Haut-Krebse beschränkt
ist, sondern prinzipiell auch bei anderen bösartigen
Tumoren zu erwarten ist.
Und in der Tat belegt eine nahezu zeitgleich im Fachblatt
The Lancet publizierte Studie, daß Aspirin auch die
Entwicklung von Speiseröhrenkrebs verhindern kann.
Unter Leitung von Dr. Thomas L Vaughan vom Fred Hutchinson
Cancer Research Center, Seattle, U.S.A., hatten amerikanische
Forscher 350 unter einer Vorstufe eines Speiseröhrenkrebs
leidende Patienten über einen Zeitraum von rund 5 Jahren
beobachtet. Dabei zeigte sich, daß jene Studienteilnehmer
mit 14.3% deutlich häufiger einen Speiseröhrenkrebs
entwickelten, die keine Schmerzmittel aus der Aspirin-Familie
eingenommen hatten. Patienten, die auch während der
Studiendauer Aspirin zu sich nahmen, bekamen hingegen nur
in 6.6% den gefürchteten Speiseröhrenkrebs.
Die Wissenschaftler kamen daher zu dem Schluß, daß
Aspirin offenbar gut geeignet ist, um ein Fortschreiten
von der Vorstufe des bösartigen Tumors hin zum manifesten
Speiseröhrenkrebs zu verhindern.
Quellen:
1.Nonsteroidal
anti-inflammatory drugs and the risk of actinic keratoses
and squamous cell cancers of the skin Corrected Proof, 17
October 2005
Butler GJ, Neale R, Green AC, Pandeya N, Whiteman DC
Journal of the American Academy of Dermatology - DOI: 10.1016/j.jaad.2005.05.049
2.THE
LANCET EARLY ONLINE EMBARGOED PRESS RELEASE:
ASPIRIN
MIGHT PREVENT DEVELOPMENT OF OESOPHAGEAL ADENOCARCINOMA
3. zur Menge Aspirin Verbrauch:
http://www.aeksh.de/shae/2000/200005/h005041a.htm
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