Durchbruch
in der adulten Stammzellforschung
Neues
Lübecker Verfahren hat herausragende Bedeutung für regenerative
Medizin und Biotechnologie
An der Universität zu Lübeck wurde ein Durchbruch in
der adulten Stammzellforschung erreicht. Privatdozent Dr. Charli
Kruse vom Institut für Medizinische Molekularbiologie ist
es mit seiner Arbeitsgruppe gelungen, aus differenziertem Gewebe
tierischen und humanen Ursprungs mittels eines neuen Verfahrens
Zellen mit Eigenschaften pluripotenter adulter Stammzellen zu
isolieren.
Das
Besondere an diesen Zellisolaten ist, dass sie nach bisheriger
Prüfung mittels zellspezifischer Fluoreszenzfärbungen,
an Hand der Proteinmusteränderungen der Zellen bei der Differenzierung
und in der Ausformung gewebeähnlicher Schichtungen in Zelltypen
mit Merkmalen aller drei Keimblätter differenzieren (Pluripotenz).
Als eine große Chance für die Stammzellforschung wird
angesehen, dass aus Drüsengewebe der Ratte und des Menschen
(unter anderem sogar eines 74-jährigen Patienten) derartige
Stammzellen isoliert werden konnten.
Die
Ergebnisse der kleinen Gruppe am Lehrstuhl von Professor Peter
K. Müller sind in mehrerer Hinsicht bemerkenswert. Einmal,
weil man seit längerem intensiv im ausgereiften Organismus
nach derartigen gut handhabbaren pluripotenten Stammzellen gesucht
hat und bisher nicht fündig geworden ist. Zum anderen, weil
damit nun eine Zellquelle für die regenerative Medizin, autologe
Zelltherapie und Biotechnologie zur Verfügung steht, die
später, bei weiterhin positivem Verlauf der Evaluierungen
auch am Patienten, genutzt werden könnte.
Dr.
Kruse ist es in Kooperation mit medizinischen Einrichtungen auf
dem Campus der Universität zu Lübeck wie der Klinik
für Chirurgie (Privatdozent Dr. Matthias Birth), dem Institut
für Anatomie (Privatdozent Dr. Thilo Wedel) und dem Institut
für MedizinischeMolekularbiologie (Privatdozent Dr. Jürgen
Rohwedel) unter Einbeziehung modernster Zelltechnologien sowie
der Entwicklung spezieller Verfahrensschritte gelungen, stabil
im Labor wachsende und sich vermehrende humane Stammzelllinien
zu etablieren. Derartig stabile Stammzellkulturen des Menschen
sind gegenwärtig weltweit außerordentlich begehrt.
Andererseits konnte die Arbeitsgruppe auch Differenzierungskulturen
anlegen, die in sehr reproduzierbarer Weise Gewebeverbände
von einigen Millimetern Größe, so genannte ?organoide
Gewebekörper?, ausbilden. Auch diese Gewebekulturen konnten
wieder in stabile, sich selbst reproduzierende Vermehrungskulturen
überführt werden. Ein Ergebnis, das bisher beim Menschen
nur mit embryonalen Stammzellen (über den Umweg der Induktion
einer Blastozyste) erreicht und am 12. Februar 2004 von der Koreanischen
Wissenschaftlergruppe um Woo Suk Hwang vorgestellt wurde.
Aufgrund
der Bedeutung der Zellisolations- und Kultivierungsexperimente
haben die Universität Lübeck, vertreten durch ihren
Rektor Prof. Alfred X. Trautwein, und das Fraunhofer-Institut
für Biomedizinische Technik, vertreten durch seinen Direktor
Professor Günter R. Fuhr, bereits Anfang des Jahres eine
Fraunhofer-IBMT-Arbeitsgruppe an der Universität zu Lübeck
unter der Leitung von Herrn Privatdozent Dr. Charli Kruse gegründet
und unter sofortiger Zuführung von Mitteln die erforderliche
Infrastruktur geschaffen. Es ist der Wunsch und das Ziel beider
Einrichtungen, mit Hilfe ihrer Forschungsallianz den Ausbau und
die Verwertung dieser Ergebnisse, insbesondere zur Sicherung des
Vorsprungs gegenüber der internationalen Forschung auf dem
Stammzellgebiet in Deutschland, unbürokratisch zu fördern
und zu beschleunigen. Durch die Einbeziehung der Technologie-Plattform
der Fraunhofer-Gesellschaft, wie etwa im Bereich der Zellisolation
und Tieftemperaturkonservierung lebender Proben, stehen der Arbeitsgruppe
Forschungsbedingungen und -kooperationen zur Verfügung, wie
sie kaum anderenorts in der Welt zu finden sind. Das Bundesministerium
für Bildung und Forschung, die Max-Planck-Gesellschaft sowie
die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Landesregierungen
Schleswig-Holsteins und des Saarlandes sind über die bahnbrechenden
Ergebnisse informiert und aufgrund der biomedizintechnischen Bedeutung
des Erfolges in die weitere Forschungsstrategie einbezogen.
Die
neu gegründete Fraunhofer-IBMT-Arbeitsgruppe "Zelldifferenzierung
und Zelltechnologie" wird in Kürze neue Räume im
Multifunktionscentrum (MFC) auf dem Lübecker Hochschul-Campus
beziehen und kann auf diese Weise ohne Unterbrechung ihre Forschungsarbeiten
auf einem der international wohl am härtesten umkämpften
Gebiete fortsetzen. Es gilt nun, die Resultate durch Fremdeinrichtungen
zu prüfen, den Vorsprung auszubauen, die Verfahrensschritte
zu optimieren und die Universalität des Verfahrens zu untermauern.
Die
Arbeitsgruppe von Dr. Kruse ist in Anbetracht des hohen biotechnologisch-medizinischen
Potentials der Ergebnisse sofort in ein integriertes Projekt der
Europäischen Union "CellPROM" einbezogen worden,
dessen Ziel die definierte oberflächenbasierte Induktion
der Differenzierung von tierischen Zellen ist. Die Universität
zu Lübeck, das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische
Technik (St. Ingbert) und die Max-Planck-Institute für Biophysikalische
Forschung (Göttingen) sowie für Molekulare Biomedizin
(Münster) haben auf Initiative des Fraunhofer-IBMT eine Forschungsallianz
zur Prüfung, Bewertung und zum Ausbau der Lübecker Ergebnisse
geschlossen.
Diese
in wenigen Wochen formierte Initiative zwischen Universität,
Grundlagen- und Anwendungsforschung ist ein Beispiel für
rasche und forschungsorientierte Entscheidungen. Sie belegt anschaulich
die Handlungsfähigkeit und hohe Flexibilität der deutschen
Forschungsinstrumente. In der Folge dieser bahnbrechenden Forschungsergebnisse
und etablierten Lübecker Stammzelllinien durch Dr. Kruse
sowie der Ansiedlung der Fraunhofer-IBMT-Arbeitsgruppe"Zelldifferenzierung
und Zelltechnologie" werden sowohl die Universität zu
Lübeck als auch die Region Lübeck in ihrer Bedeutung
als wichtiger Biomedizintechnik-Standort Deutschlands weiter gestärkt.
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