
Quelle:
British
Medical Journal
Sparen
im Gesundheitswesen: Werden im Zusammenhang mit der auch in Deutschland
üblichen Behandlung
chronischer Rückenschmerzen Milliarden sinnlos verpulvert?
Eine in England durchgeführte Studie weckt Zweifel an der Effizienz
der bei Rückenschmerzen üblichen physiotherapeutischen Maßnahmen
Viele Gesundheits-Experten sind der Auffassung, daß das deutsche
Gesundheitssystem nicht in erster Linie an einem absoluten Geldmangel
leidet, sondern eher an einem schlechten Management der vorhandenen
finanziellen Ressourcen. Generelle Kürzungen nach dem Heckenschnittverfahren
sind daher weniger sinnvoll als Kürzungen auf Gebieten, auf denen
bisher kein vernünftiges Kosten-Nutzenverhältnis
nachgewiesen werden konnte.
Ein Beispiel hierfür ist der Umgang mit dem Phänomen der chronischen
Rückenschmerzen. Diese sind in Deutschland der häufigste Grund
für vorzeitigen Ruhestand und verursachen mit bis zu 17 Milliarden
Euro jährlich eine immens große finanzielle Belastung. Etwa 5
Milliarden entfallen auf Behandlungskosten, deren wirtschaftliche
und medizinische Effizienz aber nur unzulänglich erforscht ist.
Es bietet sich somit an der Frage nachzugehen, ob diese Behandlungskosten
tatsächlich in der
Lage sind einen vernünftigen „Gegenwert“ zu erzeugen.
Jetzt stützt eine im British Medical Journal publizierte Studie
den schon lange hinter vorgehaltener Hand diskutierten Verdacht,
daß der größte Teil der typischerweise von Physiotherapeuten erbrachten
Leistungen möglicherweise „für die Katz“ ist.
Von 286 geeigneten Patienten die länger als sechs Wochen unter
Rückenschmerzen litten erhielten 144 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte
Kranke die übliche Physiotherapie, während 142 lediglich von einem
Physiotherapeuten einmalig beraten wurden.
Am Ende der Studie konnten die Forscher standardisierte Parameter
(Oswestry disability index) auswerten, die bei 200 Patienten nach
2, 6 und 12 Monaten erfaßt worden waren. Im Verlauf der Auswertung
der objektiven Daten zeigte sich, daß sich die objektivierbaren
Befunde bei den physiotherapeutisch behandelten Schmerzpatienten
nicht mehr gebessert hatten als bei jenen Leidesgenossen, die
zu Beginn der Studie lediglich untersucht und beraten worden waren.
Die Beratung bestand in
erster Linie darin, daß die Patienten aufgefordert wurden sich
weiter körperlich zu belasten.
Die Untersucher um Helen Frost, Universität of Warwick, kamen
daher zu dem Schluß, daß die derzeit bei chronischen Rückenschmerzen
übliche physiotherapeutische Therapie gegenüber einer einmaligen
Beratung durch einen Physiotherapeuten keinerlei medizinische
Vorteile hat. In einem
begleitenden Editorial äußerte Domhnall MacAuley, Belfast, daher
aus Sicht des praktischen Arztes die Meinung, daß Ärzte den unter
Rückenschmerzen leidenden Patienten derzeit keine rational zu
begründende Langzeittherapie anbieten können.
Dr. med. Jochen Kubitschek
Quellen:
http://bmj.bmjjournals.com/cgi/content/full/bmj;329/7468/708
http://www.innovations-report.de/html/berichte/medizin_gesundheit/bericht-18086.html
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