Cox2-Hemmer: Schlimmer Verdacht offenbar bestätigt
Aktuelle
Studienergebnisse scheinen jenen Pharmakritikern Recht zu geben,
die die bei vielen Ärzten unpopuläre Meinung vertreten, daß
alle zur Gruppe der Cox2-Hemmer gehörende Schmerzmittel das
Herzinfarkt-
und Schlaganfallrisiko
deutlich erhöhen.
von
Jochen Kubitschek
„Wenn
es kommt, dann kommt es gleich dicke“ sagt der Volksmund und
spielt damit auf die im Alltag oft zu beobachtete Tatsache an,
daß ein Unglück selten alleine auftritt. Dies trifft nun offenbar
auch auf die bei Ärzten und Patienten gleichermaßen beliebten
Schmerzmittel aus der Gruppe der Coxibe zu, die auch als Cox2-Hemmer
bekannt geworden sind. Nachdem erst vor wenigen Wochen der vielverordnete
Schmerzkiller Vioxx ® von der Herstellerfirma Merck
aufgrund des beobachteten drastisch erhöhten Herzinfarktrisikos
vom Markt genommen wurde, geht es nun möglicherweise den als
angeblich viel nebenwirkungsärmer beworbenen Coxiben Bextra
® (Valdecoxib) und Celebrex ® (Celecoxib)
an den Kragen.
In
einer ungewöhnlichen Aktion hat jetzt die renommierte Fachzeitung
New England Journal of Medicine einen Leserbrief vor
dem für den 23. Dezember vorgesehenen Abdruck in der Printausgabe
auf der Website des Blattes publiziert (www.nejm.org).
In diesem Beitragt fordert ein Ärzteteam der Vanderbilt
University School of Medicine, Nashville, Tennessee, ihre
Kollegen mit Nachdruck dazu auf, das weltweit an 7 Millionen
Patienten verordnete, und auch in Deutschland vermarktete
Schmerzmittel Bextra ® (Valdecoxib) bis auf weiteres
nicht mehr zu verschreiben.
Die Forscher um Wayne A. Ray verwiesen auf zwei klinische
Studien bei denen bei Bypass-Patienten unter der Behandlung
mit dem Schmerzmittel Bextra ® ein dreimal so hohes Risiko
für einen schweren Herz-Kreislaufzwischenfall – beispielsweise
einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall – registriert wurde.
Die Herstellerfirma Pfizer bestätigte die Herzschädlichkeit
von Bextra ® für diese Hochrisiko-Patientengruppe und
betonte, daß es leider keine Möglichkeit gibt, das Medikament
bei diesen Patienten auf eine ethisch akzeptable Weise zu testen.
Doch
das wahre Problem liegt für die Arbeitsgruppe Ray ganz
wo anders: wie sicher ist Bextra ® für jene „normalen“
Patienten, die das Medikament in niedrigerer Dosierung gegen
ihre rheumatischen Gelenkbeschwerden einnehmen? Da für
diese Gruppe mit normalem Herzrisiko nicht genügend Daten vorliegen,
sollte bei Verordnung von Bextra ® nach Meinung der
Forscher sofort gestoppt werden - bis dereinst entsprechende
Sicherheitsdaten vorliegen.
Diese
unter vielen Ärzten unpopuläre Forderung wird zu einem Zeitpunkt
erhoben, an dem in den deutschen Fachmedien nahezu täglich die
gute Verträglichkeit der verbliebenen Cox2-Hemmer herausgestellt
wird. Vehement versuchen Experten jeglicher Fachausrichtung
den eigentlich auf der Hand liegenden Verdacht zu entkräften,
daß offenbar doch alle Cox2-Hemmer das Herzinfarktrisiko deutlich
erhöhen.
Dieser
Hoffnung auf die Einmaligkeit des „Falles Vioxx ®“ wird
nun auch durch eine weitere Studie der Boden entzogen. Im Verlauf
einer vom Nationalen Krebsinstitut der USA über fünf Jahre durchgeführte
Studie zeigte sich völlig unvorhergesehen, daß die Patienten
die täglich 800 Milligramm Celebrex ® eingenommen hatten,
ein um über 300% erhöhtes Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle
hatten. Selbst bei der Einnahme von täglich 400 mg war das Herz-Kreislaufrisiko,
im Vergleich zu den Patienten die ein Scheinmedikament eingenommen
hatten, mehr als doppelt so hoch. Die Studie wurde aufgrund
dieser schockierenden Zwischenergebnisse sofort beendet.
Bereits
kurz nachdem Vioxx ® aufgrund des um mehr als 200% erhöhten
Herz-Kreislaufrisikos im September vom Markt genommen worden
war, gerieten auch die anderen Medikamente der gleichen Wirkstoffgruppe
in den Blickfeld der Pharmakritiker. Diese gingen aufgrund des
Wirkmechanismus der Cox2-Hemmer davon aus, daß es sich bei dem
beobachteten stark erhöhten Risiko für Herzinfarkte und
Schlaganfälle nicht um ein spezifisches Problem von Rofecoxib
handelt, sondern um einen sog. Klasseneffekt - eine Nebenwirkung
also, die von allen Cox2-Hemmern ausgeht. In Deutschland
sind derzeit Coxibe wie Celecoxib (Celebrex ®), Valdecoxib (Bextra
®),und Parecoxib (Dynastat ®) auf dem Markt.
Die
pharmakritische Zeitschrift Arzneimittel Telegramm empfahl
ihren Lesern aufgrund dieses bisher nicht widerlegten Verdachts
den generellen Ersatz der Coxibe durch die seit Jahrzehnten
bewährten Schmerzmittel der NSAR-Gruppe wie Ibuprofen oder
Diclofenac. Doch diese Medikamente belasten leider bei einigen
Patienten - ähnlich wie das gute alte Aspirin –
die Magenschleimhaut und machen daher dann die gleichzeitige
Gabe eines Magensäureblockers erforderlich. Dadurch -
so die Fangemeinde der Cox2-Hemmer - geht aber der Kostenvorteil
verloren, den die alten Schmerzmittel gegenüber den moderneren
Cox2-Hemmern haben. Doch Mehrkosten und gelegentliche Magenbeschwerden
sollten in den richtigen Relationen gesehen werden: vermutlich
werden viele schmerzgeplagte Rheumapatienten Sodbrennen und
Magendrücken einem Herzinfarkt oder Schlaganfall vorziehen.