Zur
Brustkrebstherapie in die USA?
Die
Ergebnisse der Brustkrebstherapie
sind in Deutschland nach wie vor unbefriedigend
Von
Dr. med. Jochen Kubitschek
Von den knapp 50.000 Frauen, die jährlich in Deutschland
an Brustkrebs erkranken, überleben nur etwa 60 Prozent
im Vergleich zu 74 Prozent in Schweden und den USA. Dieser erschreckend
große Unterschied wird von Experten darauf zurückgeführt,
dass in Deutschland einige zusätzliche Möglichkeiten
der modernen Medizin nicht ausreichend genutzt werden.
So
fordert beispielsweise die Deutsche Krebsgesellschaft die rigorose
Umsetzung ihrer Qualitätsleitlinien und den Nachweis ihres
Qualitätssiegels für Brustkrebszentren. "Allein
durch eine bessere Organisation und eine interdisziplinäre,
ganzheitliche Betreuung könnten in Deutschland jährlich
bis zu 10% mehr Brustkrebspatientinnen gerettet werden. Dem steht
gegenüber, dass heute nur jede zweite bis dritte Frau mit
Brustkrebs in Deutschland nach international anerkannten Standards
behandelt wird. Dies ist der Grund für die schlechten Heilungsraten
in unserem Land verglichen mit anderen Ländern wie den USA".
Mit
diesen Hinweisen auf einen aus seiner Sicht skandalösen Missstand,
gab Prof. Dr. Klaus Höffken, Präsident der Deutschen
Krebsgesellschaft e.V, bekannt, dass die Deutsche Krebsgesellschaft
die Vorraussetzungen für ein Qualitätssiegel von Brustzentren
geschaffen hat und somit ab sofort mit der Qualitätsbemessung
der Brustkrebszentren und Vergabe von Gütesiegeln beginnen
wird.
Besorgt
sind auch die Krebsexperten Professor Dr. Rolf Kreienberg, Ulm,
und PD Dr. Michael Untch, München, die kürzlich bei
einer Fachveranstaltung zu dem Fazit kamen: Verbesserungsmöglichkeiten
sind durchaus vorhanden. So könnten beispielsweise durch
die generelle Anwendung neuer und hochwirksamer Medikamenten wie
dem Eibenwirkstoff Taxol® pro Jahr etwa 800 Patientinnen zusätzlich
gerettet werden.
In
Deutschland entsprechen in den meisten Kliniken weder die Früherkennung
noch die Therapie den modernen, internationalen Kriterien,
kritisierte Professor Kreienberg, Ärztlicher Direktor der
Abteilung Frauenheilkunde und Geburtshilfe an der Universität
Ulm. Bei uns wird noch immer über den Sinn eines flächendeckenden
Mammographie-Screenings diskutiert. Brusttumore werden meist erst
ab einer Größe von mehr als zwei Zentimetern entdeckt
und neue Erkenntnisse nicht schnell genug in die Praxis umgesetzt.
In der Chemotherapie kommen Wirkstoffkombinationen zum Einsatz,
die nicht neuestem Wissen entsprechen obwohl internationale
Standards seit längerem wirksamere Therapien empfehlen.
Deutschland
am unteren Ende der Erfolgsskala
Die
Folge: Mit 40 Prozent und damit einer um 14 Prozent höheren
Sterblichkeitsrate als in den USA ist Deutschland nur auf Platz
sieben unter den größten Industrienationen zu finden.
Nur die Frauen in Italien (41 Prozent), Großbritannien (43
Prozent) und Spanien (46 Prozent) sind noch schlechter dran.
Sollen
deutsche Patientinnen also zur Behandlung in die USA?
Privatdozent
Dr. Michael Untch, Leitender Oberarzt der Frauenklinik im Klinikum
Großhadern, München: Das müssen sie nicht.
Wir sind imstande, eine gute Qualität zu liefern. Gesichert
ist die Therapiequalität in den derzeit etwa 60 Brustkrebszentren.
Hier werden auch Studien durchgeführt. Allerdings profitieren
davon bisher nur fünf Prozent der Frauen.
Im
Rahmen der fünf Säulen der Brustkrebsbehandlung (Operation,
Bestrahlung, Hormon-, Antikörper- und Chemotherapie) zeigen
sich in den letzten Jahren durch intensive Forschungen folgende
Ergebnisse:
-
In frühen Brustkrebsstadien ist die Operation nach wie vor
die erste Therapiemethode. Allerdings ermöglichen bessere
Techniken und eine präoperative Chemotherapie heute bei 70
von 100 Frauen eine Brusterhaltung. Die Brust zu entfernen sollte
die gut begründete Ausnahme sein.
-
Die Achsel-Lymphknoten müssen heute nicht mehr automatisch
entfernt werden. Die pathologische Untersuchung des Wächter-Lymphknotens
(Sentinel) zeigt, ob die Tumorzellen bis in die Lymphknoten vorgedrungen
sind. Sind im Wächter keine Krebszellen, bleiben
die Lymphknoten erhalten.
-
Die adjuvante (vorsorgliche) Chemotherapie erhöht die Überlebensraten
deutlich. Mit dieser, den ganzen Körper betreffenden, Behandlung
ist es möglich, nach einer Operation auch kleinste im Körper
verbliebene Tumorzellen abzutöten.
-
Die klassische 3er-Kombination Cyclophosphamid, Methotrexat und
5-Fluorouracil, auch CMF-Schema genannt, hilft nach heutigem Wissen
vielen Patientinnen nicht mehr. Neuere Kombinationen aus Anthrazyklinen,
Cyclophosphamid und dem Eibenwirkstoff Paclitaxel (Taxol®)
sind ihr überlegen.
-
Mehr noch: Im Vergleich zu den Anthrazyklin-haltigen Kombinationen
überleben durch die Behandlung mit Paclitaxel deutlich mehr
Patientinnen. Eine Publikation im namhaften Journal of Clinical
Oncology (Henderson et al., März 2003) belegt diese Entwicklung:
Eine fast sieben Jahre dauernde Studie mit 3.170 Brustkrebs-Patientinnen
mit befallenen Lymphknoten zeigt, dass jene Frauen, die im Anschluss
an die herkömmliche Kombination aus vier Zyklen Doxorubicin
und Cyclophosphamid zusätzlich vier Zyklen Taxol® erhielten,
einen absoluten Überlebensvorteil von sechs Prozent haben.
Das Risiko, an der Erkrankung zu sterben, vermindert sich um 18
Prozent. Nebenwirkungen waren gut behandelbar, schwere Komplikationen
traten nicht auf.
Auf
Deutschland bezogen könnte dies bedeuten, dass durch die
generelle Einführung von Taxol ® in die Behandlung von
Mammakarzinom-Patientinnen mit befallenen Lymphknoten pro Jahr
etwa 800 Betroffene zusätzlich gerettet werden könnten,
so Untch.
Auf
Basis dieser und weiterer aktueller Daten werden in deutschen
Studiengruppen Leitlinien für die Behandlung des Brustkrebses
formuliert. Spezialisierte Zentren mit hoch qualifizierten Ärzten
orientieren sich daran und behandeln ihre Patienten daher nach
dem aktuellen Stand der Forschung. Es sei allerdings schwierig,
solche Zentren zu finden, gab Kreienberg zu.
Beide
Experten appellieren hier auch an die mündige und selbstbewusst
fordernde Patientin. Fundierte Informationen werden von medizinischen
Fachgesellschaften, aber auch von Selbsthilfegruppen, Initiativen
und Patientenorganisationen bereit gehalten. Letztere beraten
auch und setzen sich nachdrücklich für Qualität
und Transparenz der unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten
ein. Sie sollten übrigens frühzeitig angesprochen werden
am besten bereits zum Zeitpunkt der Diagnose.
Link
zur Website von Bristol-Myers Squibb
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